Wo das Erz erwacht

Die Saga vom Wilden Mann

Eine alte Erzählung aus dem Harz, neu und liebevoll interpretiert. Sie erzählt von einem geheimnisvollen Wesen aus dem Wald, von seiner Gefährtin – und von den neugierigen Bergleuten, die ihn finden und doch nie ganz verstehen. Diese Version folgt den bekannten Spuren, schlägt aber auch neue Pfade ein. Eine Geschichte über Freiheit, Natur – und das, was zwischen den Zeilen verborgen liegt.

1. Spuren im vergessenen Tal

Zur Zeit des Alten Mannes, als die ersten Siedler den wilden Harz durchstreiften, kamen Bergleute in ein abgelegenes Tal nahe der Innerste. Im feuchten Schlamm des Flussbetts entdeckten sie Fußspuren – groß, tief, seltsam menschlich. Doch weit und breit gab es niemanden außer ihnen. Oder etwa doch?

2. Die Wesen des Waldes

Sie folgten der Spur – leise, mit klopfendem Herzen – und trauten kaum ihren Augen: Am Ufer standen zwei gewaltige Gestalten, ein Mann und eine Frau, gehüllt nur in Laubgürtel und mit Mooskappen auf dem Haupt. Der Mann hielt eine junge Tanne wie einen Stock in der Hand.

3. Die Flucht in den Schatten

Kaum hatten die wilden Menschen die Bergleute bemerkt, huschten sie lautlos ins dichte Unterholz. Auf Zurufe reagierten sie nicht – kein Wort, kein Blick zurück. Der Wald verschluckte sie, als wären sie nie da gewesen…

4. Die Jagd beginnt

Immer wieder tauchten die wilden Gestalten in der Ferne auf, doch fangen ließ sich keiner. Die Bergleute versuchten es mit Fallen, mit Spähern, mit List – vergeblich. Erst viele Tage später gelang ein Treffer: Ein Pfeil streifte den Fuß des wilden Mannes.

5. Kampf der Kräfte

Verletzt, aber ungebrochen, stürmte der Wilde los – die Tanne wie eine Keule schwingend. Seine Gefährtin verteidigte ihn mit Fäusten und Zähnen, wild wie ein Sturm. Doch gegen die Überzahl hatte er keine Chance – man fesselte ihn und schleppte ihn fort.

6. Das Geheimnis der Höhle

Tief im Wald fanden die Bergleute schließlich ihre Höhle – verborgen unter Wurzeln und Stein. Darin lagen Vorräte aus Beeren, rohem Fleisch, getrocknetem Moos. Kein Feuer, kein Werkzeug. Diese Menschen lebten wie aus einer anderen Zeit.

7. Der schweigende Fremde

Man stellte dem wilden Mann Fragen: Wer bist du? Woher kommst du? Warum schweigst du? Doch er sprach nicht – blickte nur in die Ferne, dorthin, wo seine Gefährtin verschwunden war. Er rührte kein Essen an, half bei keiner Arbeit. Ob er nicht konnte oder nicht wollte, wusste keiner.

8. Der letzte Weg

Die Bergleute schickten ihn zum Herzog nach Braunschweig, auf dass dieser über sein Schicksal entscheide. Doch auf dem Weg dorthin starb der wilde Mann – und in genau jenem Moment entdeckte man in seiner Höhle die erste Erzader. Und so nannte man die Grube nach ihm: Wilder Mann.

9. Die uralte Linde

An dem Ort, wo man ihn einst gefangen hatte, pflanzte man eine Linde. Sie steht noch heute. Sie steht heute vor dem Hotel Rathaus. Es wurde erzählt, der Wilde Mann habe den Baum im Kampf mit seinen Verfolgern selbst voll Wut in die Erde gestoßen. So kann man es jedenfalls auf der Tafel lesen, die an der Linde vor dem Rathaus hängt.

Geschichte der Bergstadt